Gemeindevertretung Ahrensfelde
z.H. Frau Beate Hübner, Vorsitzende
Ahrensfelde, 28.4.2023
Offener Brief
Appell gegen die Errichtung weiterer Wohngebiete in der Gemeinde Ahrensfelde
Sehr geehrte
Frau Hübner,
sehr geehrte
Mitglieder der Gemeindevertretung,
im vergangenen Jahr haben wir uns mit Offenen Briefen an Sie und die EKBO, einer Petition mit 700 Unterschriften sowie mit einem Antrag auf Durchführung einer Einwohnerbefragung mit 469 Unterschriften gegen die Errichtung weiterer Wohngebiete an Sie gewandt. Inzwischen wissen wir, dass die Mehrheit der Bevölkerung in unserer Gemeinde gegen die Errichtung des Wohngebietes an der Ulmenallee/Lindenberger Straße gestimmt hat. Wahrscheinlich ließe sich dieses Votum auch auf weitere Bebauungspläne in anderen Ortsteilen übertragen. Deshalb ist es aus unserer Sicht unverständlich, dass Sie bereits kurze Zeit nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Einwohnerbefragung das nächste Wohngebiet in Lindenberg auf Antrag des ortsansässigen Investors Herrn Winter – und unüblicherweise mit Hilfe der Verwaltung - auf den Weg bringen wollen. In kürzester Zeit werden Ihnen, quasi per Federstrich, zukunftsträchtige Entscheidungen für die Gemeinde abverlangt.
Im
Interesse der Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Ahrensfelde möchten wir Sie
eindringlich darum bitten, die Vor- und Nachteile dieser Pläne gründlich
abzuwägen. Herr Gehrke hatte in einem MOZ-Artikel
vom 3.11.2022 geäußert: „Als wir den Flächennutzungsplan gemacht haben, haben wir
festgelegt, dass wir bei der Umsetzung unserer Pläne auf 17.000 Einwohner
kommen. Die wollten wir auch haben.“ Mit den Wohngebieten „Quartier Am Kaufpark
Eiche“, „Kirschenallee“ und „Lindenberger Straße/Ulmenallee“ käme man auf die
17.000 Einwohner. Mit welcher Begründung muss weiter gebaut werden?
Wir möchten auf Folgendes aufmerksam machen:
Das Land & der Bund sind im Kontext der Orts“durchfahrung“ nicht bereit, auf Ihre Sorgen als Gemeindevertreter einzugehen und Ihren Vorschlägen für ein neues Planungsverfahren zu folgen. Umgekehrt sind die Sie als Gemeindevertreter auch nicht gebunden an die Bebauungsvisionen des Landesentwicklungsplanes Hauptstadtregion (LEP HR). Dazu kommt, dass im LEP HR und dem Achsenentwicklungskonzept Ahrensfelde - Werneuchen (AEK) geschrieben steht, dass bestimmte Bauprojekte weder raum- noch ressourcenschonend sind. Und weiter: Eine Satellitenstadt wie Neu-Lindenberg sollte nicht weiter ausgebaut werden, solange nicht eine Analyse möglicher Folgeschäden vorliegt. Einigen von Ihnen dürfte dieser Hinweis bekannt sein. Zukunftsaufgaben wie Klimafolgenanpassung, demographischer Wandel, Teilhabe, Energie-, Wärme-, Mobilitätswende sollten ebenfalls berücksichtigt werden. Wir stellen infrage, ob die vorhandenen Infrastrukturkapazitäten – insbesondere die Wasser- und Abwasserversorgung in Neu-Lindenberg - für eine weitere städtebauliche Entwicklung überhaupt ausreichend sind oder kostenintensive Neubaumaßnahmen erforderlich wären?
Nutzen Sie hier Ihre Möglichkeiten. Verwehren auch Sie Ihre
Zustimmung zu weiteren Wohngebieten.
Wir appellieren an
Sie: Ahrensfelde ist dicht! Hier geht nichts mehr!
- Das
geplante Gymnasium an der Ulmenallee soll auf der Grundlage des Kita- und
Schulentwicklungsplanes Barnim und des darin u.a. identifizierten Bedarfes für
den Süd-Barnim entstehen. Um das Schulgrundstück dafür von der EKBO zu
erwerben, musste - so die Begründung des Bürgermeisters - der Bedingung der
EKBO entsprochen werden, dass Wohngebiet an der Lindenberger Straße zu
errichten.
Wie nunmehr Herr Schwarz auf der Ortsbeiratssitzung in Lindenberg am 23.03.2023
darstellte, seien neue Wohngebiete notwendig, um die benötigten
Schülerzahlen für das künftige Gymnasium zu akquirieren. Dabei soll doch die
EKBO darauf gedrängt haben, ein Wohngebiet errichten zu können. Hat der
Bürgermeister etwa die Einwohner der Gemeinde im Kontext der Bürgerbefragung
belogen? War die nunmehr mögliche Errichtung des Wohngebietes vielmehr eine
Offerte der Gemeinde an die EKBO?
Mit der Aussage von Herrn Schwarz ergibt sich eine völlig neue Perspektive zum
grundsätzlichen Erfordernis eines neuen Gymnasiums! Dies entspricht offenbar
auch der Ansicht des Brandenburger Innenministeriums, das lt. MOZ vom 31.1.2023
den Barnimer Kreishaushalt u.a. auf Grund fehlender Schülerentwicklungszahlen
bis 2030 nicht genehmigen will. Nun wird klar, warum im Eiltempo weitere Wohngebiete
entstehen sollen. Wir brauchen Zuzug und somit mehr Schüler. Wie lange wollen sie dieses System
noch befürworten. Zuzug bringt einen Rhythmus mit sich, der nicht mehr
kontrollierbar ist. Zuzug bedeutet, dass es folglich von allem mehr geben
muss: Mehr Kitas, mehr Schulen, mehr Ärzte, mehr Einkaufsmöglichkeiten, mehr
Straßen etc. Diese Entwicklung würde letztendlich dazu führen, dass die
Gemeinde Ahrensfelde so wie wir sie heute kennen und lieben nicht mehr
existieren würde. Wir wären dann eine Kleinstadt mit vielen Menschen in vielen Häusern
und vielen Wohnungen. Was allerdings immer fehlen wird, ist die nötige Infrastruktur,
die sich nicht so einfach realisieren lässt.
Offen ist der Zeitpunkt der Realisierung der Ortsumfahrung der B158; die
ortsverbindenden Straßen können weder ausgebaut noch erweitert werden.
Insgesamt müssten mehr Investitionen getätigt werden: z.B. in Elektro-Ladeinfrastruktur,
mehr ÖPNV-Angebote, Bereitstellung von Rufbussen und vieles mehr.
An
dieser Stelle deswegen noch einmal die Frage: Wollen Sie noch immer, dass
weiter gebaut wird, um ein Gymnasium und weitere Schulen zu rechtfertigen?
Haben wir nicht bereits genügend Schulkapazitäten? Das Ergebnis der
Einwohnerbefragung machte deutlich, dass die Einwohner sogar auf ein Gymnasium
verzichten würden, damit kein weiteres Wohngebiet entsteht und keine
Ackerfläche vernichtet wird. Wäre es nicht zweckmäßiger und ressourcenschonender,
sich für die Umgestaltung der vorhandenen Schulen zu Gesamtschulen einzusetzen,
die bis zum Abitur führen?
Wir appellieren an Sie: Setzen Sie sich für vernünftige, realistische Lösungen ein. Erhalten Sie dafür die ohnehin schon stark eingeschränkte Lebensqualität in der Gemeinde, indem Sie weiteren Wohngebieten im Außenbereich nicht mehr zustimmen.
- Umweltpolitische
Ziele stehen heute eklatant im Widerspruch zu den „Wachstums“-Visionen des
Landesentwicklungsplanes Hauptstadtregion. Umweltverbände warnen seit Jahren
vor dem „Wuchern“ der Städte. Lt. Deutschem Bauernverband werden in Deutschland
täglich 730.000 m² (73 Hektar) neu versiegelt, Natur irreparabel
zerstört. (Quelle: https://www.bauernverband.de/faktencheck/boden) Die deutsche Landwirtschaft ist nicht mehr in der
Lage, unseren Nahrungsmittelbedarf selbst zu decken. Wertlose Böden an sich gibt
es nicht. Jede Fläche ist Lebensraum für Insekten und Mikroorganismen, ein
Kreislauf sich bedingender Systeme, den wir immer mehr zerstören.
Der Wohnungsbedarf ist keine
Begründung für die ständige Errichtung neuer Wohngebiete und dem damit
verbundenen Raubbau an Bodenflächen. Es gibt genügend Wohnungen. In der
Gemeinde Ahrensfelde gibt es lt. Zensus 2011 mindestens 1.300 Wohnungen. Was
fehlt sind bezahlbare Wohnungen. Hintergrund für Preisexplosionen am
Grundstücks- und Wohnungsmarkt ist allein die Privatisierung von Grund und
Boden, mit der viele Kommunen seit Jahren ihren eigenen Ausverkauf betreiben.
Die Sozialbindung staatlich geförderter Wohnungen in der Hand von Investoren
erlischt bekanntlich nach einigen Jahren. Dann werden wieder neue Flächen für
den Bau neuer, wiederum nur befristet bezahlbarer Wohnungen benötigt.
- Aktuell möchten Sie den Zusammenschluss der Wohnungsbaugesellschaft Werneuchen-Ahrensfelde auf kommunaler Ebene und später in privater Rechtsform vorantreiben. Ahrensfelde möchte neben 67 Wohnungen, Parkplätze und anderen kleineren Flächen sowie Baugrundstücke einbringen (Quelle: Format „Studio 16356“). Welche Baugrundstücke sollen das sein? Etwa die Flächen im Besitz privater Investoren? Entstünden dadurch tatsächlich bezahlbare Wohnungen? Der Geschäftsführer der WBG Werneuchen, Herr Lochner, hat zur Stadtverordnetensitzung von Werneuchen am 30.03.2023 dargestellt, dass Mietpreise unter 15 Euro pro m² nicht mehr realistisch sind, eher noch darüber liegen werden. Was sind für Sie sozial verträgliche und bezahlbare Mietpreise in einer ländlichen Region? Eine alleinstehende Frisörin oder ein Auszubildender könnte sich bei solchen Preisansagen bei uns jedenfalls keine Wohnung leisten!
Wir appellieren an Sie: Steuern Sie um! Stimmen Sie keinem Verkauf kommunaler Flächen und
Wohnungen mehr zu. Setzen Sie sich dafür ein, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht bei Veräußerung privaten Bodens nutzt und - bei unumstößlichem Bedarf - selbst zum Anbieter bezahlbaren Wohnens wird. Aussagen wie „das Vorkaufsrecht kann nicht ausgeübt werden“ sind schlichtweg falsch. In anderen Gemeinden – vorzugsweise in westlichen Regionen - wird dies schon lange praktiziert (Quelle: https://www.meidert-kollegen.de/wp-content/uploads/Vor-der-Nase-weggeschnappt.pdf). Selbst im AEK wird darauf hingewiesen, vom Vorkaufsrecht zum Wohle der Gemeinde Gebrauch zu machen und damit Bodenspekulation zu unterbinden.
Noch im Kontext des beabsichtigten Schulneubaus Ulmenallee haben uns vor einem Jahr Vertreter aus 5 Fraktionen Ihres Gremiums sowie einzelne Vertreter*innen in Gesprächen versichert, dass dem – u. E. nach unrechtmäßig gekoppelten - Wohngebiet an der Lindenberger Straße nur wegen des erwarteten Gymnasiums zugestimmt worden sei. Ihre damaligen Aussagen finden Sie zusammengefasst in einem Blog-Beitrag vom 2. Juni 2022 (https://lebenswerte-gemeinde-ahrensfelde.blogspot.com/2022/06/gymnasium-gibt-es-nur-mit-wohngebiet.html). Dort könnten Sie Ihre Meinung von „gestern“ noch einmal nachlesen und Ihre heutige Haltung zum Bau neuer Wohngebiete vergleichen.
Bitte bedenken Sie dabei: Die Mehrheit der Einwohner wünscht keine weiteren Wohngebiete!
Sollten Sie weiteren Vorlagen in dieser Richtung zustimmen, wird unser Protest nicht abreißen und Sie setzen sich ggf. der Unglaubwürdigkeit vor Ihren Wählern aus.
Mit freundlichen Grüßen
Simone Ulrich
Lebenswerte Gemeinde
Ahrensfelde n.e.V.